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Hold The Girl Tour 2023
„Pop kann so viel mehr sein als nur Pop!“ Mit diesem knackigen Zitat definiert die in Großbritannien aufgewachsene und in London lebende Japanerin Rina Sawayama das Credo für ihr gesamtes musikalisches Tun. Dabei gelingen ihr gleich zwei außergewöhnliche Spagate: Zum einen verbindet sie in ihren Songs radiotaugliche, gleichwohl facettenreiche Popmusik mit starken soziologischen Inhalten und gesellschaftlichen Botschaften. Und zum anderen bezieht ihr Sound seine Inspirationen vornehmlich aus der Pop- und Rock-Musik der 1990er- und 2000er-Jahre, verdichtet diese Einflüsse aber zu einem regelrecht futuristisch anmutenden Pop-Amalgam. Ihr unlängst Mitte September erschienenes, zweites Album „Hold the Girl“ demonstriert diese Dualität aus Inhalt und Breitenwirkung sowie aus Pop-Nostalgie und Futurismus in nahezu jedem Song. Anfang 2023 geht Rina Sawayama mit dieser Platte auf Europatournee, in deren Rahmen sie auch für zwei Konzerte in Deutschland Station macht: Am 19. Februar gastiert sie in München, am 24. Februar in Berlin.
Rina Sawayama kam erst spät zur Musik – dafür revolutioniert sie gegenwärtig zahlreiche Facetten des sonst stets festen Regelns folgenden Pop-Business. 1990 in der japanischen Präfektur Niigata geboren, siedelte sie mit ihren Eltern im Alter von fünf nach London über. Es war der Zeitpunkt, wo sie begann, sich immer wieder als Außenseiterin zu fühlen. Sie brauchte etwa vergleichsweise lange, um sich in Englisch verständigen zu können, hinzu kam eine offenbar traumatisch Konflikt-beladene Trennung der Eltern und in der Folge eine recht verwahrloste Jugend, die sie mit ihrer Mutter in einem heruntergekommenen Ein-Zimmer-Appartement verbrachte. Einen gewissen inneren Frieden fand sie erst im Rahmen ihres Studiums der Soziologie und Politikwissenschaften – ein Studium, das sie sich erfolgreich mit Modeln finanzierte. Sie lief Shows für Versace, Uniqlo, Jourdan Dunn oder Balmain und wurde mehrfach für die Vogue abgelichtet.
Schon damals nutzte sie das öffentliche Interesse für klare Statements und prangerte etwa die rassistischen und toxischen Tendenzen im Model-Business an. Kaum verwunderlich daher, dass sie auch von Anbeginn ihrer musikalischen Laufbahn wichtige Botschaften in ihre Texte integrierte. Noch vor ihrer ersten EP „Rina“, die sie im Alter von 27 Jahren veröffentlichte, thematisierte sie Dinge wie kapitalistische Tunnelblicke sowie die Abhängigkeit des modernen Menschen von Social Media, von ihr treffend als „Cyber Stockholm Syndrome“ tituliert. Diese Single brachte ihr erste Aufmerksamkeit ein, die sie seither immer konsequenter für soziologische Themen nutzt. Ihr öffentliches Outing als bi- und pansexuelle Person und ihr damit verbundenes Engagement für Feminismus und queere Themen erschienen dabei nur als ein nächster logischer Schritt.
Diese inhaltliche Arbeit verbindet Rina Sawayama mit einem eklektizistischen Pop-Gefühl, das man so noch nicht gehört hat. Für sie scheinen keinen Genregrenzen zu existieren, sie mischt ebenso mutig wie selbstverständlich Dance-Pop mit NuMetal, Country mit Hyperpop oder den R’n’B der 90er-Jahre mit geradezu avantgardistisch anmutenden Arrangements. Im einen Moment fertigt sie einen Club-Remix des Lady Gaga-Hits „Free Woman“ an, im nächsten nimmt sie ein Cover von „Enter Sandman“ für ein Metallica-Tribute-Album auf. Für sie sei das alles kein Widerspruch, den Pop sei letztlich nur das, was man daraus macht. Während Lady Gaga sie treffend bezeichnet als eine „experimentelle Pop-Visionärin, die sich konsequent weigert, nach den Regeln zu spielen.“
Entsprechend zügig wächst das weltweite Interesse. Während ihr Debütalbum „Sawayama“ noch eher als Kritiker-Liebling bezeichnet werden kann, erobert sie mit dem aktuellen Album „Hold the Girl“ weltweit die Charts – bis hin in die USA und nach Australien. In Großbritannien avanciert sie zu einer derart einflussreichen Künstlerin, dass die British Phonographic Industry auf ihr Betreiben hin – und unterstützt durch prominente Fans wie Elton John – ihre Statuten dergestalt ändert, dass künftig nicht mehr nur englische Staatsbürger für britische Musik-Awards nominiert werden können. Nur eines von vielen außergewöhnlichen soziokulturellen Ereignissen, die Rina Sawayama innerhalb weniger Jahre erreicht hat. Denn Pop kann bei ihr ebenso viel mehr sein als nur Pop.