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Abgesagt
Das Debütalbum „Nails“ der Benefits nur sperrig zu nennen, ist ungefähr so beschönigend, als behaupte man, dass Boris Johnson sich hier und da mal ein Späßchen erlaube oder dass das Verhältnis zwischen Margaret Thatcher und den britischen Gewerkschaften ein wenig getrübt gewesen sei. Das Cover: schwarz wie die Nacht. Die Musik: arm an Struktur, reich an Krach, schon der Opener „Marlboro Hundreds“ brüllt, schlägt, lärmt und sägt jede Mauer in Stücke. Die Lyrics: sprechen eine deutliche Sprache. „Formulate your own ideas, don’t get bullied by hate speech, ignore cartoon fascists, reject hate“, schreit Frontmann Kingsley Hall über dem schweren Geholper des Schlagzeugs und dem unglaublichen Krach. Benefits haben jede Schönheit aus ihren Songs verbannt und lehnen die Idee, jemand könnte lieben, was sie tun, gründlich ab. „Es geht mir darum zu verstehen, wieso Großbritannien sich heute bis zur Unkenntlichkeit vom UK unterscheidet, das vor 10 Jahren vielleicht noch existiert hat“, sagt er gegenüber dem NME. „Es könnte um Rassismus und Sexismus gehen, Fremdenfeindlichkeit, Klassismus, Gewalt und Hass. Diese Dinge gab es schon vorher, aber jetzt kocht es über.“ Diese Veränderung hat auch die Band mitgemacht. Aus den temperamentvollen Gitarren-Punks wurden überwältigend brutale, harsche Krachmacher, deren wütende Musik ihr Land aufs antipatriotischste ausweidet. Benefits sind die Sound gewordene Anklage der spaltenden, fremdenfeindlichen, giftigen Rhetorik, die von denen verbreitet wird, die den öffentlichen Diskurs ziemlich überwältigt haben. Jeder Track ist wie ein Gegenmittel für diese Krankheit. Dass das nicht jedem gefällt, ist klar. Aber dass Kollegen wie Steve Albini, Sleaford Mods oder Modeselektor zu großen Fans gehören (auch wenn sie von den Nordengländern in ihrer Wut noch in den Schatten gestellt werden), adelt die Benefits. Andererseits beweisen ihre Shows, dass die Gruppe mehr zu sagen hat. Auf der Bühne nutzt Hall seine intensive Präsenz, um nicht nur seine Wut, sondern auch seine Verletzlichkeit zum Ausdruck zu bringen, seine Nervosität und Unbeholfenheit und seinen selbstironischen Sinn für Humor. „Diese typische wütende Rockstar-Scheiße finde ich wirklich schwierig und irgendwie unausstehlich“, sagt er, „während der Shows versuche ich darüber zu sprechen, wie man stark sein kann, wie wir alle verletzlich sind und wie wir diese Kraft nutzen können, um letztendlich zu gewinnen.“ Britische Bands sind häufig sauer und lassen ihr Land das auch spüren. Benefits sind in dieser Hinsicht kompromissloser als alle anderen. Wer eine laute politische Lektion vertragen kann, muss unbedingt die Konzerte im November besuchen.
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