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Ein Mann, eine Gitarre, eine Sensation: Gerry Cinnamon
Schottischer Solomusiker bricht mit allen Marktregeln
Erste UK-Tour in Sekunden ausverkauft
Es sind große Worte, aber sie sind bei Gerry Cinnamon angebracht: Seit den Anfangstagen von Bob Dylan hat es die Musikwelt nicht mehr erlebt, dass ein einzelner Musiker mit einer akustischen Gitarre und kämpferischen, authentischen, in keinster Weise auf Kommerzialität gebürsteten Songs derart rasant von einem Geheimtipp zu einem internationalen Star gereift ist. Noch vor vier Jahren spielte der 33-Jährige vor 50 Leuten in einem Pub in seiner Heimatstadt Glasgow, Ende vergangenen Jahres verkaufte er an gleichem Ort den legendären Barrowland Ballroom für zwei Nächte in Folge innerhalb von Sekunden aus. Gleiches galt für seine erste UK-Headline-Tour, für sämtliche Shows in Großbritannien waren die Tickets in Minuten ausverkauft. Dies alles gelingt Gerry Cinnamon trotz oder gerade aufgrund massiver Eigenheiten: Er singt und spricht in einem ausgeprägten schottischen Akzent, intoniert seine Songs weniger schön als vielmehr manisch besessen und vermittelt in ihnen konturscharfe, zuweilen ätzend zynische Gesellschafts- und Medienkritik. Mit all diesen Eigenschaften ist er geradezu ein neues „Role Model“ gegen alle üblichen Marktgesetze der Musikindustrie, und genau darin hat Gerry Cinnamon mittlerweile einen missionarischen Eifer entdeckt. Nun kommt der Protestsänger alter Schule mit jungen Mitteln zwischen dem 25. und 27. April erstmals für drei Konzerte in Berlin, Köln und Hamburg nach Deutschland, um die Songs seines Ende 2017 erschienenen Debütalbums „Erratic Cinematic“ mit aller Intensität live vorzustellen.
Der Hauptgrund, sich mit seinen Songs überhaupt in die Welt der Profimusik zu begeben, sei, so sagt Gerry Cinnamon, „dass dieses ganze Business völlig korrupt ist und immer weniger mit einem künstlerischen Gedanken in Verbindung steht. Die ‚X-Factorisierung‘ der populären Musik ist maximal vorangeschritten. Ich hatte irgendwie das dringende Gefühl, einmal zeigen zu müssen, dass es auch anders geht.“ Aus diesem ursprünglichen Antrieb ist mittlerweile eine regelrechte Mission geworden; kaum ein Interview, in dem Cinnamon, 1985 als Gerry Crosbie in Glasgow geboren, nicht im Detail beschreibt und ausführt, was er jungen Musikern rät, wie sie sich positionieren sollten und was alles zu tun ist, um der weiteren Verflachung der künstlerischen Qualität von Popmusik entgegen zu wirken. Es ist nur folgerichtig, dass er sich in dieser Position sieht, denn er hat mit seinen Songs selten nachdrücklich bewiesen, dass die globalen Musikhörer mehr als bereit sind für schlichte, aber grandios komponierte Songs mit meinungsstarken politischen und gesellschaftlichen Texten.
Dass es überhaupt dazu gekommen ist, verdankt er einer eher schwierigen Jugend im Glasgower Stadtteil Castlemilk, einem der schlimmsten sozialen Brennpunkte ganz Schottlands. Um als Teil einer Jugendgang ärgeren Problemen und Konfrontationen mit anderen Gangs oder der Polizei zu entgehen, wurde der junge Gerry Crosbie von seinen Eltern für längere Zeit zu dem Vater eines Freundes nach London geschickt, wo er laut eigener Aussage „nichts zu tun hatte als Cricket zu schauen oder Gitarre und Harmonika zu spielen.“ Dabei wurde er zwangsläufig immer besser, aus ziellosem Herumspielen schälten sich zu seiner Überraschung immer mehr Songs. Zurück in Glasgow, begann er, diese Songs bei einer Open-Mic-Nacht in einem Pub wöchentlich zu präsentieren. Schon nach wenigen Wochen quoll der Pub förmlich über vor Besuchern. Erst da manifestierte sich Cinnamons Wunsch, die Sache mit der Musik ernster zu betreiben.
Es blieb ihm letztlich auch kaum etwas anderes übrig, denn ohne jede Medien-Unterstützung oder Promotion, ja nicht einmal über die sozialen Netzwerke, sondern fast ausschließlich durch klassische Mundpropaganda wuchs seine Fangemeinde in einem so rasenden Tempo, dass diverse Führungsfiguren aus Medien und Musik feststellten, so etwas habe man seit dem Aufstieg von Oasis nicht mehr erlebt. Dabei ist dies alles bislang nicht mehr als der Anfang einer Karriere, wie man sie definitiv nur selten erlebt hat.