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Die in London lebende gebürtige Deutsche Mimi Barks vollführt lyrische und musikalische Gratwanderungen, wie es derzeit keine zweite Künstlerin tut. Inhaltlich changiert sie zwischen Selbsthass und persönlicher Neuerfindung, großem Weltschmerz und der Umarmung des Teuflischen, Verarbeitung einer Jugend voller Missbrauch und einem scheuen Blick in das Licht der Zukunft – und mixt diese selbstreflexiven, häufig brutal (auto-)aggressiven Texte mit einem Sound zwischen Trap, Hip-Hop sowie Doom Metal. Seit ihrem ersten Mini-Album „Enter the Void“ im Jahr 2019, das sie noch in Berlin aufnahm, arbeitet Mimi Barks fieberhaft an, wie sie selber sagt, „einer neuen Geburt meiner selbst“. Mit dem am 16. Dezember dieses Jahres erscheinenden Album „Deadgirl“ scheint diese künstlerische wie auch persönliche Reinkarnation vorerst abgeschlossen, erzählt die Platte doch genau diese Geschichte von Untergang, Selbstmord und Wiedergeburt der Mimi Barks. Am 19. und 20. März 2023 kann man dieser Wiedergeburt auch live beiwohnen, im Rahmen zweier Deutschlandkonzerte in Berlin und Köln.
Seit ihren frühen Teenagerjahren fühlte sich die im Ruhrgebiet geborene Mimi Barks als Outlaw. „Mich hat es immer schon angekotzt, worüber sich andere Kids in meinem Alter unterhalten haben, was ihnen wichtig war“, erzählte sie jüngst in einem Interview mit dem britischen Kerrang!. „Ich konnte damit nichts anfangen, das war alles so sinnentleert und oberflächlich. Ich habe mir immer schon ganz andere Fragen gestellt als die Menschen um mich herum“ – und dies selbst dann, als sie Anschluss fand an deutschlandweite Punk- und Goth-Szenen. Zwar stieß sie in diesen Kreisen eher auf Gleichgesinnte, aber so richtig heimisch wurde sie auch dort nicht, denn erneut eckte sie mit ihrer kantigen, kompromisslosen Art häufig an – und geriet einmal mehr zur Außenseiterin.
Erst nach ihrem Umzug nach Berlin fand sie ein Soziotop, das verrückt und radikal genug war, um ihr nicht ununterbrochen das Gefühl zu geben, zu krass, zu besonders und zu verrückt zu sein: Für eine Weile fand sie in der Technoszene der Hauptstadt eine Art Zuhause. Sie arbeitete in einigen der angesagtesten Clubs, ließ sich treiben und fallen, und wusste zuweilen nicht mehr, „ob ich 12, 24 oder 36 Stunden in einem Club verbracht habe“. Endlich konnte sie sich mit Menschen über die Themen unterhalten, die sie interessierten – einerseits. Andererseits bemerkte sie, dass diese drogengeschwängerte Szene auch den Teil der Selbstzerstörung in ihr derart befeuerte, „dass ich mir nicht sicher bin, ob ich heute noch am Leben wäre, wenn ich nicht die Reißleine gezogen hätte“. Zumindest fand sie dort auch den Einstieg in das professionelle Musizieren – sie lernte im Nachtleben einen Hip-Hop-Produzenten kennen, der sie dabei unterstützte, ihre erste EP „Enter the Void“ aufzunehmen. Diese EP war der erste Fingerzeig, dass in Mimi Barks eine radikale, kompromisslose Künstlerin heranwächst, die ihren ganz eigenen Weg geht.
Im Zuge der COVID-Lockdowns, als alle Berliner Clubs geschlossen hatten, traf sie eine alles verändernde Entscheidung: Sie verließ Deutschland und zog nach London, um sich dort noch einmal ganz neu zu positionieren – als Künstlerin wie als Mensch. Persönlich tauschte sie die nachtschwarze Dunkelheit gegen das Licht der Spiritualität und meditierte „bis zum Erbrechen“, wie sie sagt. Und schrieb parallel all die Songs, die ihren Weg vom lebensablehnenden Misanthropen hin zu einer Person, die sich selbst mag, beschreiben. Mit der Anfang des Jahres veröffentlichten EP „Abyss“ manifestierte sie ihren Klang, den sie selber „Doom Trap“ getauft hat, wie auch ihre drastische visuelle Darstellung auf Fotos und in Videos, in denen sie häufig mit teuflischen Elementen agiert, ohne dabei aber dem Okkultismus zu verfallen. Sie seien, sagt sie, vielmehr ein Ausdruck „für all die dunklen, versteckten, bösen Winkel, die jeder von uns in seiner Psyche trägt“. Mit ihrem Debütalbum „Deadgirl“ beerdigt sie nun die Mimi Barks, wie Eigeweihte sie bisher kannten, und reüssiert als eine neue Mimi Barks, die um ihre Dämonen weiß, diese aber auf illustre Art zu kraftvoller, wenngleich oft auch verstörender Kunst zu verdichten weiß.