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Achtung: Vollbestuhlt!
Seit einem halben Jahrhundert agieren Sparks als die konsequent unberechenbaren, sich mit pathologischer Entdeckerfreude ständig neu erfindenden „Entfants terrible“ der Popkultur. Die – laut NPR – „Lieblingsband all deiner Lieblingsbands“ hat seit der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums 1971 einen unvergleichlichen audiovisuellen Kosmos geschaffen, der Myriaden von Musikern nachhaltig beeinflusst hat. Zu ihren Fans zählen so gegensätzliche Künstler wie Joy Division und die Sex Pistols, Depeche Mode und The Darkness, Björk und Beck – dies auch, weil sich Sparks selber immer wieder anders und frisch definieren und sich ihr Werk aus mittlerweile 25 Alben, wenn überhaupt, nur unter dem Begriff „Art-Pop“ zusammenfassen lässt. Anlässlich ihres 26. Albums „The Girl Is Crying In Her Latte“, das für den 26. Mai angekündigt ist, gehen Sparks auf Welttournee und werden auch ein exklusives Deutschlandkonzert am 18. Juni im Berliner Tempodrom geben.
Existenziell einflussreich und doch manchmal sträflich übersehen: das ist die vorherrschende Meinung über das US-amerikanische Musikduo Sparks, das in fünf Jahrzehnten ein kunterbunt facettenreiches Universum zwischen Glamrock und Orchester-Pomp, Neo-Klassik-Pop und Disco-Avantgarde, Dancefloor-Trash und Musical-Extravaganz sowie Big-Band-Swing und Synthie-Wave geschaffen hat. Stets getrieben von dem Bedürfnis, Genres, Inhalte und Darstellungsformen zu erkunden sowie neu zu interpretieren, hat das kalifornische Duo ein dermaßen umfassendes Oeuvre geschaffen, dass es selbst Pop-Produzentenlegende Jack Antonoff zu der Einschätzung bewog, jedwede Popmusik sei nichts weiter als „ein Neu-Arrangement irgendeiner Sparks-Phase“. Dabei orientierten sich die Brüder Ron (Keyboards, Kompositionen) und Russell Mael (Gesang, Texte) stets auch am jeweils aktuellen Zeitgeist – wenn sie ihn nicht gerade selbst neu definierten – und warfen sich in aufregende Kollaborationen mit Künstlern und Produzenten wie Todd Rundgren, Les Rita Mitsouko, Tony Visconti, Gemma Ray, Franz Ferdinand, Erasure, Faith No More oder Giorgio Moroder.
Die Geschichte der Sparks beginnt im Los Angeles der 60er Jahre, als die Musikszene vom kalifornischen Sound zwischen Beach Boys und den Folk-Rock-Künstlern aus dem Laurel Canyon dominiert wurde. Während ihrer Studienzeit an der UCLA fühlten sich Ron Mael (*1945) und sein jüngerer Bruder Russell (*1948) von anderen Klängen angezogen: Sie hatten eine Leidenschaft für britische Bands wie The Who, The Kinks oder The Move – und suchten nach einem Pendant, das zu ihren persönlichen Fähigkeiten passte: Ron, der Grafik-Design studierte, galt als angehender Keyboard-Zauberer. Russell, mit einem Abschluss in Theater- und Filmregie, besaß ein unverwechselbares Falsett sowie einen beeindruckenden Stimmumfang. Auf das noch verhalten erfolgreiche Debüt, das zunächst unter dem ursprünglichen Bandnamen Halfnelson erschien, folgten 1974 die beiden in sechs Monaten Abstand veröffentlichten Alben „Kimono My House“ sowie „Propaganda“, die beide unter anderem in England in die Top 10 stiegen und damit eine Karriere begründeten, die bis heute anhält und buchstäblich unvergleichlich ist. Obschon es Sparks nie auf Kommerzialität anlegten, sondern im Gegenteil einen Kosmos schufen aus ausgeklügelten, abstrakt humorvollen Texten, literarischen und filmischen Anspielungen sowie einer eigenwilligen, theatralisch-glamourösen Bühnenpräsenz, gelangen ihnen über die Jahrzehnte immer wieder große Single-Hits und sensationelle Albumverkäufe auf der ganzen Welt.
Als ob all das nicht reichen würde, zeigten sich die Sparks in den letzten Jahren von einer überbordend produktiven Seite: Ihr 25. Album „A Steady Drip, Drip, Drip“ stieg 2020 einmal mehr in die Top 10 in UK; im Jahr darauf erschienen zwei Filme unter ihrer Mitwirkung: der biografische Dokumentarfilm „The Sparks Brothers“ von Edgar Wright sowie der Musicalfilm „Annette“ von Leos Caral – zugleich das Eröffnungsstück der Filmfestspiele von Cannes 2021, für den sie alle Songs schrieben und einen César Award für die beste Originalmusik gewannen. Ein weiterer Film mit dem Titel „X-Crucior“, für den die Mael-Brüder nicht nur die Musik, sondern auch das Drehbuch verfassten, befindet sich in Vorbereitung. Mit ihrem kommenden Album „The Girl Is Crying In Her Latte“ schließt sich nach einem halben Jahrhundert für Sparks ein Kreis: Es erscheint bei ihrem neuen alten Label Island Music – jener Firma, die in den 70ern ihre ersten beiden Erfolgsalben veröffentlicht hat.